Abendbilder 1 Friedlicher Abend senkt sich aufs Gefilde; Sanft entschlummert Natur, um ihre Züge Schwebt der Dämmerung zarte Verhüllung, und sie Lächelt, die holde; Lächelt, ein schlummernd Kind in Vaters Armen, Der voll Liebe zu ihr sich neigt; sein göttlich Auge weilt auf ihr, und es weht sein Odem Über ihr Antlitz. 2 Stille wirds im Walde; die lieben kleinen Sänger prüfen schaukelnd den Ast, der durch die Nacht dem neuen Fluge sie trägt, den neuen Liedern entgegen. Bald versinkt die Sonne; des Waldes Riesen Heben höher sich in die Lüfte, um noch Mit des Abends flüchtigen Rosen sich ihr Haupt zu bekränzen. Schon verstummt die Matte; den satten Rindern Selten nur enthallt das Geglock am Halse, Und es pflückt der wählende Zahn nur lässig Dunklere Gräser. Und dort blickt der schuldlose Hirt der Sonne Sinnend nach; dem Sinnenden jetzt entfallen Flöt und Stab, es falten die Hände sich zum Stillen Gebete. Schilflieder 1 Drüben geht die Sonnen scheiden, Und der müde Tag entschlief. Niederhangen hier die Weiden In den Teich,so still, so tief. Und ich muß mein Liebstes meiden: Quill, o Träne, quill hervor! Traurig säuseln hier die Weiden, Und im Winde bebt das Rohr. In mein stilles, tiefes Leiden Strahlst du, Ferne! hell und mild, Wie durch Binsen hier und Weiden Strahlt des Abendsternes Bild. 2 Trübe wird's, die Wolken jagen, Und der Regen niederbricht, Und die lauten Winde klagen: "Teich, wo ist dein Sternenlicht?" Suchen den erloschnen Schimmer Tief im aufgewühlten See. Deine Liebe lächelt nimmer Nieder in mein tiefes Weh. 3 Auf geheimem Waldespfade Schleich ich gern im Abendschein An das öde Schilfgestade Mädchen, und gedenke dein! Wenn sich dann der Busch verdüstert, Rauscht das Rohr geheimnisvoll, Und es klaget, und es flüstert, Daß ich weinen, weinen soll. Und ich mein, ich höre wehen Leise deiner Stimme Klang Und im Weiher untergehen Deinen lieblichen Gesang. 4 Sonnenuntergang; Schwarze Wolken ziehn, O wie schwül und bang Alle Winde fliehn! Durch den Himmel wild Jagen Blitze, bleich; Ihr vergänglich Bild Wandelt durch den Teich. Wie gewitterklar Mein ich dich zu sehn, Und dein langes Haar Frei im Sturme wehn! 5 Auf dem Teich, dem regungslosen, Weilt des Mondes holder Glanz, Flechtend seine bleichen Rosen In des Schilfes grünen Kranz. Hirsche wandeln dort am Hügel, Blicken in die Nacht empor; Manchmal regt sich das Geflügel Träumerisch im tiefen Rohr. Weinend muß mein Blick sich senken; Durch die tiefste Seele geht Mir ein süßes Deingedenken, Wie ein stilles Nachtgebet! Blick in den Strom Sahst du ein Glück vorübergehn, Das nie sich wiederfindet, Ists gut in einen Strom zu sehn, Wo alles wogt und schwindet. O! starre nur hinein, hinein, Du wirst es leichter missen, Was dir, und solls dein Liebstes sein, Vom Herzen ward gerissen. Blick unverwandt hinab zum Fluß, Bis deine Tränen fallen, Und sieh durch ihren warmen Guß Die Flut hinunterwallen. Hinträumend wird Vergessenheit Des Herzens Wunde schließen; Die Seele sieht mit ihrem Leid Sich selbst vorüberfließen. Der Lenz Da kommt der Lenz, der schöne Junge, Den alles lieben muß, Herein mit einem Freudensprunge Und lächelt seinen Gruß; Und schickt sich gleich mit frohem Necken Zu all den Streichen an, Die er auch sonst dem alten Recken, Dem Winter, angetan. Er gibt sie frei, die Bächlein alle, Wie auch der Alte schilt, Die der in seiner Eisesfalle So streng gefangen hielt. Schon ziehn die Wellen flink von dannen Mit Tänzen und Geschwätz Und spötteln über des Tyrannen Zerronnenes Gesetz. Den Jüngling freut es, wie die raschen Hinlärmen durchs Gefild, Und wie sie scherzend sich enthaschen Sein aufgeblühtes Bild. Froh lächelt seine Mutter Erde Nach ihrem langen Harm; Sie schlingt mit jubelnder Gebärde Das Söhnlein in den Arm. In ihren Busen greift der Lose Und zieht ihr schmeichelnd keck Das sanfte Veilchen und die Rose Hervor aus dem Versteck. Und sein geschmeidiges Gesinde Schickt er zu Berg und Tal: "Sagt, daß ich da bin, meine Winde, Den Freunden allzumal!" Er zieht das Herz an Liebesketten Rasch über manche Kluft Und schleudert seine Singraketen, Die Lerchen, in die Luft. Winternacht 1 Vor Kälte ist die Luft erstarrt, Es kracht der Schnee von meinen Tritten, Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart; Nur fort, nur immer fortgeschritten! Wie feierlich die Gegend schweigt! Der Mond bescheint die alten Fichten, Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt, Den Zweig zurück zur Erde richten. Frost! friere mir ins Herz hinein, Tief in das heißbewegte, wilde! Daß einmal Ruh mag drinnen sein, Wie hier im nächtlichen Gefilde! 2 Dort heult im tiefen Waldesraum Ein Wolf; - wie's Kind aufweckt die Mutter, Schreit er die Nacht aus ihrem Traum Und heischt von ihr sein blutig Futter. Nun brausen über Schnee und Eis Die Winde fort mit tollem Jagen, Als wollten sie sich rennen heiß: Wach auf, o Herz, zu wildem Klagen! Laß deine Toten auferstehn Und deiner Qualen dunkle Horden! Und laß sie mit den Stürmen gehn, Dem rauhen Spielgesind aus Norden! Liebesfeier An ihren bunten Liedern klettert Die Lerche selig in die Luft; Ein Jubelchor von Sängern schmettert Im Walde, voller Blüt und Duft. Da sind, so weit die Blicke gleiten, Altäre festlich aufgebaut, Und all die tausend Herzen läuten Zur Liebesfeier dringend laut. Der Lenz hat Rosen angezündet An Leuchtern von Smaragd im Dom; Und jede Seele schwillt und mündet Hinüber in den Opferstrom. Herbst Nun ist es Herbst, die Blätter fallen, Den Wald durchbraust des Scheidens Weh; Den Lenz und seine Nachtigallen Versäumt ich auf der wüsten See. Der Himmel schien so mild, so helle, Verloren ging sein warmes Licht; Es blühte nicht die Meereswelle, Die rohen Winde sangen nicht. Und mir verging die Jugend traurig, Des Frühlings Wonne blieb versäumt; Der Herbst durchweht mich trennungschaurig, Mein Herz dem Tod entgegenträumt. Das Mondlicht Dein gedenkend irr ich einsam Diesen Strom entlang; Könnten lauschen wir gemeinsam Seinem Wellenklang! Könnten wir zusammen schauen In den Mond empor, Der da drüben aus den Auen Leise taucht hervor. Freundlich streut er meinem Blicke Aus dem Silberschein Stromhinüber eine Brücke Bis zum stillen Hain. - Wo des Stromes frohe Wellen Durch den Schimmer ziehn, Seh ich, wie hinab die schnellen Unaufhaltsam fliehn. Aber wo im schimmerlosen Dunkel geht die Flut, Ist sie nur ein dumpfes Tosen, Das dem Auge ruht. Daß doch mein Geschick mir brächte Einen Blick von dir! Süßes Mondlicht meiner Nächte, Mädchen, bist du mir! Wenn nach dir ich oft vergebens In die Nacht gesehn, Scheint der dunkle Strom des Lebens Trauernd stillzustehn; Wenn du über seinen Wogen Strahlest zauberhell, Seh ich sie dahingezogen, Ach! nur allzuschnell! Lenau im Netz Lenau bei Gutenberg |