Agnes Rosenzeit! Wie schnell vorbei, Schnell vorbei Bist du doch gegangen! Waer mein Lieb nur blieben treu, Blieben treu, Sollte mir nicht bangen. Um die Ernte wohlgemut, Wohlgemut Schnitterinnen singen. Aber, ach! mir kranken Blut, Mir kranken Blut Will nichts mehr gelingen. Schleiche so durchs Wiesental, So durchs Tal, Als im Traum verloren, Nach dem Berg, da tausendmal, Tausendmal Er mir Treu geschworen. Oben auf des Huegels Rand, Abgewandt, Wein ich bei der Linde; An dem Hut mein Rosenband, Von seiner Hand, Spieler in dem Winde. Auf ein Kind das mir eine ausgerissene Haarlocke vorwies Mein Kind, in welchem Krieg hast du Die gelben Haare lassen müssen? Ein Rosenzweig hat sie im Sprunge dir entrissen! Du weißt es kaum und lachst dazu. Gott gebe, daß in künftger Zeit Nie kein Verlust, noch ander Leid Dich bitterer im jungen Herzen Als dieser leichte Raub mag schmerzen! Auf einer Wanderung In ein freundliches Staedtchen tret ich ein, In den Strassen liegt roter Abendschein. Aus einem offnen Fenster eben, ueber den reichsten Blumenflor Hinweg, hoert man Goldglockentoene schweben, Und _eine_ Stimme scheint ein Nachtigallenchor, Dass die Blueten beben, Dass die Luefte leben, Dass in hoeherem Rot die Rosen leuchten vor. Lang hielt ich staunend, lustbeklommen. Wie ich hinaus vors Tor gekommen, Ich weiss es wahrlich selber nicht. Ach hier, wie liegt die Welt so licht! Der Himmel wogt in purpurnem Gewuehle, Rueckwaerts die Stadt in goldnem Rauch; Wie rauscht der Erlenbach, wie rauscht im Grund die Muehle! Ich bin wie trunken, irrgefuehrt - O Muse, du hast mein Herz beruehrt Mit einem Liebeshauch! Bei einer Trauung Vor lauter hochadligen Zeugen Copuliert man ihrer zwei; Die Orgel hängt voll Geigen, Der Himmel nicht, mein Treu! Seht doch, sie weint ja greulich, Er macht ein Gesicht abscheulich! Denn leider freilich, freilich Keine Lieb ist nicht dabei. Zur Warnung Einmal nach einer lustigen Nacht War ich am Morgen seltsam aufgewacht: Durst, Wasserscheu, ungleich Gebluet; Dabei geruehrt und weichlich im Gemuet, Beinah poetisch, ja, ich bat die Muse um ein Lied. Sie, mit verstelltem Pathos, spottet' mein, Gab mir den schnoeden Bafel ein: "Es schlagt eine Nachtigall Am Wasserfall; Und ein Vogel ebenfalls, Der schreibt sich Wendehals, Johann Jakob Wendehals; Der tut tanzen Bei den Pflanzen Obbemeld'ten Wasserfalls -" So ging es fort; mir wurde immer baenger. Jetzt sprang ich auf: zum Wein! Der war denn auch mein Retter. - Merkts euch, ihr traenenreichen Saenger, Im Katzenjammer ruft man keine Goetter! Nimmersatte Liebe So ist die Lieb! So ist die Lieb! Mit Küssen nicht zu stillen: Wer ist der Tor und will ein Sieb Mit eitel Wasser füllen? Und schöpfst du an die tausend Jahr, Und küssest ewig, ewig gar, Du tust ihr nie zu Willen. Die Lieb, die Lieb hat alle Stund Neu wunderlich Gelüsten; Wir bissen uns die Lippen wund, Da wir uns heute küßten. Das Mädchen hielt in guter Ruh, Wie's Lämmlein unterm Messer; Ihr Auge bat: nur immer zu, je weher, desto besser! So ist die Lieb, und war auch so, Wie lang es Liebe gibt, Und anders hat Herr Salomo, Der Weise, nicht geliebt. Er ist's Frühling läßt sein blaues Band Wieder flattern durch die Lüfte; Süße, wohlbekannte Düfte Streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, Wollen balde kommen. - Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen! Am Walde Am Waldsaum kann ich lange Nachmittage, Dem Kukuk horchend, in dem Grase liegen; Er scheint das Tal gemaechlich einzuwiegen Im friedevollen Gleichklang seiner Klage. Da ist mir wohl, und meine schlimmste Plage, Den Fratzen der Gesellschaft mich zu fuegen, Hier wird sie mich doch endlich nicht bekriegen, Wo ich auf eigne Weise mich behage. Und wenn die feinen Leute nur erst daechten, Wie schoen Poeten ihre Zeit verschwenden, Sie wuerden mich zuletzt noch gar beneiden. Denn des Sonetts gedraengte Kraenze flechten Sich wie von selber unter meinen Haenden, Indes die Augen in der Ferne weiden. Um Mitternacht Gelassen stieg die Nacht ans Land, Lehnt träumend an der Berge Wand, Ihr Auge sieht die goldne Waage nun Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn; Und kecker rauschen die Quellen hervor, Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr Vom Tage, Vom heute gewesenen Tage. Das uralt alte Schlummerlied, Sie achtet's nicht, sie ist es müd; Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch, Der flücht'gen Stunden gleichgeschwungnes Joch. Doch immer behalten die Quellen das Wort, Es singen die Wasser im Schlafe noch fort Vom Tage, Vom heute gewesenen Tage. Septembermorgen Im Nebel ruhet noch die Welt, Noch träumen Wald und Wiesen: Bald siehst du, wenn der Schleier fällt, Den blauen Himmel unverstellt, Herbstkräftig die gedämpfte Welt Im warmen Golde fließen. Mörike im Netz Mörike bei Gutenberg Mörike-Gesellschaft |