Dem unbekannten Gott Noch einmal, eh' ich weiterziehe Und meine Blicke vorwärts sende, Heb' ich vereinsamt meine Hände Zu Dir empor, zu dem ich fliehe, Dem ich in tiefster Herzenstiefe Altäre feierlich geweiht, Daß allezeit Mich Deine Stimme wieder riefe. Darauf erglüht tief eingeschrieben Das Wort: Dem unbekannten Gotte. Sein bin ich, ob ich in der Frevler Rotte Auch bis zur Stunde bin geblieben: Sein bin ich - und ich fühl' die Schlingen, Die mich im Kampf darniederziehn Und, mag ich fliehn, Mich doch zu seinem Dienste zwingen. Ich will Dich kennen, Unbekannter, Du tief in meine Seele Greifender, Mein Leben wie ein Sturm Durschweifender, Du Unfaßbarer, mir Verwandter! Ich will Dich kennen, selbst dir dienen. Ecce Homo Ja! Ich weiß, woher ich stamme! Ungesättigt gleich der Flamme Glühe und verzehr ich mich. Licht wird alles, was ich fasse, Kohle alles, was ich lasse: Flamme bin ich sicherlich! Nach neuen Meeren Dorthin - will ich; und ich traue Mir fortan und meinem Griff. Offen liegt das Meer, ins Blaue Treibt mein Genueser Schiff. Alles glänzt mir neu und neuer, Mittag schläft auf Raum und Zeit -: Nur dein Auge - ungeheuer Blickt mich's an, Unendlichkeit! Vereinsamt Die Krähen schrein Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt: Bald wird es schnein. - Wohl dem, der jetzt noch Heimat hat! Nun stehst du starr, Schaust rückwärts, ach! wie lange schon! Was bist Du Narr Vor Winters in die Welt entflohn? Die Welt - ein Tor Zu tausend Wüsten stumm und kalt! Wer das verlor, Was du verlorst, macht nirgends halt. Nun stehst du bleich, Zur Winter-Wanderschaft verflucht, Dem Rauche gleich, Der stets nach kältern Himmeln sucht. Flieg, Vogel, schnarr Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! - Versteck, du Narr, Dein blutend Herz in Eis und Hohn! Die Krähen schrein Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt: Bald wird es schnein. - Weh dem, der keine Heimat hat. Die kleine Hexe So lang noch hübsch mein Leibchen, Lohnt sichs schon, fromm zu sein. Man weiss, Gott liebt die Weibchen, Die hübschen obendrein. Er wird's dem art'gen Mönchlein Gewisslich gern verzeihn, Dass er, gleich manchem Mönchlein, So gern will bei mir sein. Kein grauer Kirchenvater! Nein, jung noch und oft roth, Oft gleich dem grausten Kater Voll Eifersucht und Noth! Ich liebe nicht die Greise, Er liebt die Alten nicht: Wie wunderlich und weise Hat Gott dies eingericht! Die Kirche weiss zu leben, Sie prüft Herz und Gesicht. Stäts will sie mir vergeben: - Ja wer vergiebt mir nicht! Man lispelt mit dem Mündchen, Man knixt und geht hinaus Und mit dem neuen Sündchen Löscht man das alte aus. Gelobt sei Gott auf Erden, Der hübsche Mädchen liebt Und derlei Herzbeschwerden Sich selber gern vergiebt! So lang noch hübsch mein Leibchen, Lohnt sich's schon, fromm zu sein: Als altes Wackelweibchen Mag mich der Teufel frein! Nietzsche im Netz Nietzsche Spuren Nietzsche bei Gutenberg |