Wer je gelebt in Liebesarmen Wer je gelebt in Liebesarmen, Der kann im Leben nie verarmen; Und müßt er sterben fern, allein, Er fühlte noch die selge Stunde, Wo er gelebt an ihrem Munde, Und noch im Tode ist sie sein. Die Nachtigall Das macht, es hat die Nachtigall Die ganze Nacht gesungen; Da sind von ihrem süßen Schall, Da sind in Hall und Widerhall Die Rosen aufgesprungen. Sie war doch sonst ein wildes Kind; Nun geht sie tief in Sinnen, Trägt in der Hand den Sommerhut Und duldet still der Sonne Glut Und weiß nicht, was beginnen. Das macht, es hat die Nachtigall Die ganze Nacht gesungen; Da sind von ihrem süßen Schall, Da sind in Hall und Widerhall Die Rosen aufgesprungen. Hyazinthen Fern hallt Musik; doch hier ist stille Nacht, Mit Schlummerduft anhauchen mich die Pflanzen. Ich habe immer, immer dein gedacht; Ich möchte schlafen, aber du mußt tanzen. Es hört nicht auf, es rast ohn Unterlaß; Die Kerzen brennen und die Geigen schreien, Es teilen und es schließen sich die Reihen, Und alle glühen; aber du bist blaß. Und du mußt tanzen; fremde Arme schmiegen Sich an dein Herz; o leide nicht Gewalt! Ich seh dein weißes Kleid vorüberfliegen Und deine leichte, zärtliche Gestalt. - - Und süßer strömend quillt der Duft der Nacht Und träumerischer aus dem Kelch der Pflanzen. Ich habe immer, immer dein gedacht; Ich möchte schlafen, aber du mußt tanzen. Abends Die Drossel singt, im Garten scheint der Mond; Halb träumend schwankt im Silberschein die Rose. Der Abendfalter schwingt sich sacht heran, Im Flug zu ruhn an ihrem zarten Moose. Nun schwirrt er auf - doch sieh! er muß zurück; Die Rose zwingt ihn mit gefeitem Zügel. An ihrem Kelche hängt der Schmetterling, Vergessend sich und seine bunten Flügel. -- Die Drossel singt, im Garten scheint der Mond; Halb träumend wiegst du dich in meinen Armen. O gönne mir der Lippen feuchte Glut, Erschließ den Rosenkelch, den liebewarmen! Du bist die Blume, die mich einzig reizt! Dein heller Blick ist ein gefeiter Zügel! An deinen Lippen hängt der Schmetterling, Sich selbst vergessend und die bunten Flügel. Am Aktentisch Da hab ich den ganzen Tag dekretiert; Und es hätte mich fast wie so manchen verführt: Ich spürte das kleine dumme Vergnügen, Was abzumachen, was fertigzukriegen. All meine Lieder All meine Lieder will ich Zum flammenden Herde tragen, Da soll um sie die rote Verzehrende Flamme schlagen, Sie sind ja welke Blüten, Die keine Früchte tragen - Was sollen welke Blüten In frischen Sommertagen. Verirrt Ein Vöglein singt so süße Vor mir von Ort zu Ort; Weh, meine wunden Füße! Das Vöglein singt so süße, Ich wandre immerfort. Wo ist nun hin das Singen? Schon sank das Abendrot; Die Nacht hat es verstecket, Hat alles zugedecket - Wem klag ich meine Not? Kein Sternlein blinkt im Walde, Weiß weder Weg noch Ort; Die Blumen an der Halde, Die Blumen in dem Walde, Die blühn im Dunkeln fort. Zur Nacht Vorbei der Tag! Nun laß mich unverstellt Genießen dieser Stunde vollen Frieden! Nun sind wir unser; von der frechen Welt Hat endlich uns die heilige Nacht geschieden. Laß einmal noch, eh sich dein Auge schließt, Der Liebe Strahl sich rückhaltlos entzünden; Noch einmal, eh im Traum sie sich vergißt, Mich deiner Stimme lieben Laut empfinden! Was gibt es mehr! Der stille Knabe winkt Zu seinem Strande lockender und lieber; Und wie die Brust dir atmend schwellt und sinkt, Trägt uns des Schlummers Welle sanft hinüber. Waisenkind Ich bin eine Rose, pflück mich geschwind! Bloß liegen die Würzlein dem Regen und Wind. Nein, geh nur vorüber und laß du mich los! Ich bin keine Blume, ich bin keine Ros'. Wohl wehet mein Röcklein, wohl faßt mich der Wind; Ich bin nur ein vater- und mutterlos Kind. Liebe Goldne Töne im Herzen mir schliefen, Goldne Töne in stiller Nacht; Jetzt an der Liebe freundlichen Strahlen Sind sie zu klingenden Liedern erwacht. Naht sich die Liebe männlichen Herzen, Reißt sich der Geist aus umfangender Haft, Und in des Busens heiligen Tiefen Regt sich des Nordens gewaltige Kraft. Theodor Storm im Netz Theodor Storm bei Gutenberg Theodor Storm Gesellschaft |